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  • Gastautor*in

Achterbahn des Lebens

Anne ist 25 und ist von Beruf Tierärztin. Nach dem Ende des Studiums lief nicht alles glatt.

Bild: Privat
 

Ich habe eigentlich immer durchgezogen. Durchgezogen und durchgehalten. Ehrgeizig und ambitioniert und arbeitsfreudig. Ich habe mein Abi absolviert, direkt im Anschluss Tiermedizin “losstudiert”, hier und da bisschen geholpert aber in den richtigen Momenten Gas gegeben und mir am Ende meinen Wunsch des Prädikatsexamens selbst erfüllt.


Als Tochter zweier selbstständiger Elternteile kenne ich langes arbeiten über die Standard-Arbeitszeiten hinaus, ich kenne anstrengende, lange Tage, ich weiß um die Notwendigkeit von der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens und als modern-konservativ erzogenes „Kind“ weiß ich um die Wichtigkeit der Loyalität guter Mitarbeiter. All das und meine scheinbar soliden Grundkenntnisse in meinem Beruf, gepaart mit meiner Unerschrockenheit haben meinen damaligen Chef dazu veranlasst, mich sofort einzustellen. Die Absprache war eine Arbeitsteilung, die es mir möglich macht, meine Doktorarbeit „nebenbei“ zu verfolgen und mir meine Freizeit mit Pferd und Hund ermöglicht. Ich kannte die Praxis über Praktika, kam mit dem Chef gut klar und hielt die Idee, als erste Stelle in einer Landtierarztpraxis zu starten für nicht verkehrt. So begann ich vor über einem Jahr bei meiner ersten Arbeitsstelle. Was folgte ist das, was einem nicht unerheblichen Anteil der jungen Tierärzte nach der Uni widerfährt: Arbeitszeiten deutlich über den vereinbarten Zeitrahmen hinaus, ohne Bezahlung der Überstunden. Ein Arbeitspensum, was kaum zu schaffen ist. Übernahme von Nachtdiensten ohne Freizeitausgleich am darauffolgenden Tag. Es folgte die Ausdehnung auf Vollzeit, wenn Kollegen im Urlaub waren. Die Bezahlung? Blieb auf Halbzeit. Auf Nachfrage kam der Hinweis, es würde in Freizeit ausgeglichen werden.


Ich habe viel Power, viel Energie, manchmal auch zu viel, um es entspannt mit mir auszuhalten. Nach fünf Monaten hatte ich nichts mehr davon. Ich habe gearbeitet wie eine Irre, Nachtdienste nacheinander geschoben und am nächsten Tag mit drei Stunden Schlaf Vollzeit weiter. Mein Pferd habe ich oft nach 22.30 Uhr kurz besucht. Mein Hund war längst bei meinen Eltern in Obhut, meine Beziehung auf ein Wochenende alle zwei Wochen verschoben worden. Ich wollte durchhalten und durchziehen, es meinen Chefs beweisen, dass ich kein naives, junges Mädchen bin, was zu weich für das Arbeitsleben ist. Ich hatte Angst zu scheitern, meinen selbstständigen, fleißigen Eltern zu erklären, dass das zu viel für mich ist, ich hatte doch von klein auf gelernt viel zu arbeiten. Es war ein innerer Konflikt mit mir selbst.


Mein Entschluss das Arbeitsverhältnis zu beenden, kam nach der gravierenden Flutkatastrophe in NRW, von der privat unter anderem meine Wohnung vollständig betroffen war. Ich zog zunächst zurück zu meinen Eltern und arbeitete trotz aller Widrigkeiten und Umständen weiter, bis mein Vater in einem meiner schlaflosen Nachtdienste die Kündigung für mich schrieb, die ich am nächsten Morgen, es war der zweite in Folge nach deutlich zu wenigen Stunden Schlaf, einreichte. Ich hätte es aus eigener Kraft nicht geschafft, dieses formlose Schreiben zu verfassen, von dem ich fürchtete, es würde mich, meinen Chef und meine Eltern enttäuschen. Dass mein Vater dies als gestandener Geschäftsmann und Arbeitgeber tat, zeigte mir, wie überfällig es längst gewesen war.


Nach einer längeren Auszeit bin ich nun seit vier Monaten glücklich zurück im Beruf. In einer Praxis, die junge, ambitionierte Tierärzte schätzt und fördert. Die das Gehalt bezahlt, was arbeitswillige und leistungsbereite Mitarbeiter verdienen und vor allem in einer Praxis, die aufeinander Acht gibt und wo Freude und Miteinander neben einer anspruchsvollen tierärztlichen Tätigkeit zählen. Meine Doktorarbeit habe ich wieder aufgenommen, mein Pferd kennt mich wieder bei Tageslicht und der Hund ist mit mir in die neue Wohnung gezogen.

 

Manchmal funktionieren die Dinge nicht so, wie geplant, manchmal nur mit großem Umweg oder einigen Unebenheiten. Solange man sicher geht, dass die Achterbahn des Lebens ans Ziel führt, sind wohl auch die Talfahrten ein normaler Bestandteil– und danach kommt der nächste große Looping.


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