Florentina, 27 Jahre alt, Journalistin
Schon während meiner Zeit in der Oberstufe des Gymnasiums habe ich mich immer wieder mit dem Thema beschäftigt, wo mein Weg einmal verlaufen wird. Schon damals hat es so viele Themen gegeben, für die ich mich begeistern konnte. Von Musik über Sport bis hin zu Politik und die ethische und nachhaltige Ausrichtung unserer Existenz. Noch während meiner Zeit habe ich mich dafür entschieden, sofort nach der Abiturübergabe ein Praktikum bei einem Radiosender zu absolvieren. Musik war und ist meine Leidenschaft. Und das Medium Radio war eine Möglichkeit, genau diese Leidenschaft mit meinen anderen Interessen zu kombinieren. Während der regulären Schulzeit hat man leider nur eingeschränkt die Alternative, längere Praktika bei mehreren Stellen durchzuführen. Außerdem habe ich in den Ferien oft gearbeitet, um so erste Eindrücke in die Arbeitswelt zu bekommen, aber auch um etwas Geld auf die Seite legen zu können.
Nach meinem Praktikum ist mir eine Stelle bei dem Sender angeboten worden. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau, was ich alles in und mit meinem Leben anstellen möchte. So habe ich mich entschieden, freiberuflicher Journalist zu werden und dem Sender und dem Medium Radio so erhalten zu bleiben. Natürlich wollte ich auch noch etwas anderes ausprobieren.
Als ich 2016 meinen Abschluss gemacht habe, war die Flüchtlingsthematik noch sehr aktuell. Die Bilder von ankommenden Geflüchteten an unseren Bahnhöfen, getrennten Familien und der katastrophalen Situation in den jeweiligen Ursprungsländern hat meinen Entschluss gefestigt, mich ehrenamtlich in einer gemeinnützigen Organisation einzusetzen. Beim Verein „Gemeinsam Leben und Lernen in Europa“ konnte ich nicht nur selbständig Projekte für und mit Geflüchteten koordinieren, sondern auch viele andere Bereiche des gesellschaftlichen sowie sozialen Lebens besser kennenlernen. Durch die enorme Vielfalt an Projekten, den regen Austausch von Input mit KollegInnen und die sehr gute Zusammenarbeit mit der Geschäftsführerin Perdita Wingerter war der Bundesfreiwilligendienst nach dem Abitur und dem Praktikum beim Radio genau das Richtige. Kaum eine Phase in meinem Leben hat mich in so vielen verschiedenen Sphären geprägt. Sowohl das einfache Erlernen von typischen Arbeitsabläufen in einem Büro als auch die Organisations- und Koordinierungsfreiheit, die mir Frau Wingerter gewährte, haben mich bei meinen weiteren Stationen unterstützt. Durch internationale Projekte konnte ich im interkulturellen Austausch von anderen Projekten, Ländern und Menschen in ganz Europa lernen. Zahlreiche Auslandsaufenthalte haben mir die Möglichkeit gegeben, durch das Halten von Workshops oder das Moderieren von Veranstaltungen mein Selbstbewusstsein zu stärken und mit Menschen egal, welchen Alters, welcher Herkunft oder welchen Berufs zu kommunizieren, sowie ein Netzwerk aufzubauen. Auch nach dem einjährigen Bundesfreiwilligendienst bin ich der Organisation verbunden geblieben. Ich habe weiterhin ehrenamtlich mitgeholfen und eines der Projekte, die ich koordinieren durfte, für mehrere Jahre geleitet.
Anschließend habe ich ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau begonnen; nicht aus Passion für das deutsche Recht, sondern aus einem Sammelsurium an Gründen. Während meiner Zeit am Gymnasium habe ich mit mehreren LehrerInnen gesprochen, die mich zu dieser Zeit fasziniert haben und zu denen ich einen guten Draht hatte. Bereits damals hat meine Lehrerin in dem Fach Ethik gemeint, dass sie sich vorstellen könnte, ein Jura-Studium könnte mir liegen. Mit dem Verständnis von Recht und den Vorstellungen dahinter generiert man auf der einen Seite viel Wissen, und auf der anderen hat man einen Abschluss, der sich nicht nur dazu eignet, Anwalt zu werden. Gerade auch ein potenzielles, zukünftiges Arbeiten für NGOs (Non-Government-Organisations) bzw. Organisationen wie Amnesty International oder die Vereinten Nationen hat mich damals fasziniert. Zudem ist meine Begeisterung für Journalismus nicht erloschen und im Zuge der Lektüre vieler Bücher musste ich feststellen, dass sowohl viele JournalistInnen als auch einige PolitikerInnen eine juristische Ausbildung haben. Das Verständnis des Rechtssystems, analytisches Denken und ausgewählte Sprache sind Dinge, die für beide Wege ein taugliches Fundament bilden. Somit entschied ich mich für dieses Studium, das ich hoffentlich im Jahr 2023 abschließen werde und so den nächsten Schritt gehen kann.
Gut zwei Jahre nach dem Beginn des Studiums habe ich mich für einen Dozentenjob beim Kolping-Bildungswerk beworben. Seitdem arbeite ich nicht nur als freiberuflicher Journalist, sondern auch als selbstständiger Dozent für Wirtschaftsrecht und versuche so, mir das Studium zu finanzieren und auch neben dem Studium Neues zu lernen und zu versuchen.
Ich denke, dass es wichtig ist, einfach mehrere Sachen auszuprobieren. Nach dem Abitur nicht direkt in ein Studium oder einen Beruf einzusteigen, hat mir beispielsweise geholfen, sowohl mich selbst als auch das, was mir wichtig ist, noch besser kennenzulernen.
Seien wir mal ehrlich: Nur die wenigsten wissen, wenn sie 17 oder 18 Jahre alt sind, wirklich, was sie machen wollen. Und wissen Sie es tatsächlich? Natürlich sollte man gewisse Ziele haben. Die Wege dorthin können aber vielfältig sein. Ein Blick über den Tellerrand ist hilfreich, in jedem Bereich. Sei neugierig und lerne dich kennen, schau, was dir wichtig ist und wie du das in dein Leben integrieren kannst. Und wenn du dir nicht sicher bist: Halt mal inne, schau, was dir Freude bereitet. Sprich mit deiner Familie, deinen Freunden und probiere Sachen aus.
Langsam, aber sicher bewege ich mich auf das Ende meines Studiums zu. Klar bin ich etwas nervös, weil ich noch immer nicht genau weiß, ob Journalismus, Politik oder die ethische und nachhaltige Ausrichtung unserer Existenz „das eine“ Thema ist, was mich mehr interessiert. Aber vielleicht muss ich das auch (noch) gar nicht. Oder vielleicht lassen sich die Punkte auch kombinieren. Was ich weiß ist, dass ich weiterhin meine Augen offenhalten und mir auch ganz genau anschauen werde, was da so außerhalb des Tellerrands liegt.

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